Es roch nach altem, muffigem Papier. Ledereinbände. Staub. Die Luft, die sie atmete schien dick und stickig, irgendwie gehaltvoll zu sein. Gerade so, als hätte die Luft das Wissen und die Geschichten der alten Bücher, die hier standen, in sich aufgesogen.
Die Räume, die diese alte Bibliothek beherbergten, waren atemberaubend. Hohe Kuppeln, alte Säulen und Pfeiler. Schwere hölzerne Regale, Schränke und Tische. Wundervoll gepolsterte Stühle – und sogar das ein oder andere Ledersofa war zu finden. Falls ein Besucher es sich mit einem Buch gemütlich machen wollte.
Auf dem alten, hölzernen Fußboden lagen teilweise dicke Teppiche, die jeden Schritt erstickten. Dort, wo nur der nackte Holzboden lag, hallten die Schritte durch das ganze alte Gebäude.
Obwohl es früh am Vormittag war, schien hier bereits die abendliche Dämmerung eingesetzt zu haben. Die Deckenlampen boten nur trübes Licht und die wenigen Fenster waren fast blind. Nur dort, wo gelesen wurde, standen Lampen, die einen kleinen, hellen Kreis erzeugten.
Nur wenig Menschen waren hier. Die meisten schienen so alt zu sein, wie dieses Gebäude selbst. Ein grauhaariger Herr – seine Lesebrille rutsche ihm ständig halb von der Nase – saß auf einem der Sofas und las in einem großen Buch mit leinenen Einband. Einen Titel konnte sie nicht erkennen. Die alte Dame an der Ausleihe schien vor sich hinzudösen – der bläulichen Haarschopf auf eine Hand geruht; die andere hand hin schlaff neben ihrem Stuhl. Eine weitere ältere Dame – vielleicht nicht ganz so alt, wie die, welche an der Ausleihtheke saß – stöberte gerade in einem Regal nach Büchern. Es waren alte, medizinische Bücher. Das Wissen, das in ihnen stand musste mittlerweile völlig veraltet und überholt sein. Weiter hinten saß noch ein zweiter Mann, der ebenfalls las. Außerdem rannte ein jüngerer Mann hektisch – was gar nicht ns Bild passte – von einem Regal zum nächsten und schien etwas zu suchen. Ein Student, vermutete sie.
Noch einmal holte sie tief Luft und dankte Mutter Natur, dass sie nicht mit einer Staubmilbenallergie geschlagen war. Sonst hätte sie wohl sofort wieder flüchten müssen. So leise es ging – um niemanden zu stören – ging sie zur Leihtheke und sprach die scheinbar schlafende Bibliothekarin an.
„Entschuldigen Sie bitte? Ich würde mich hier gern etwas umsehen und vielleicht auch etwas ausleihen, wäre das möglich?“
Beinahe erschrocken blickte die alte Dame sie an – offensichtlich war sie tatsächlich in einen kurzen Schlaf gefallen.
„Junge Frau, sehen Sie sich in aller Ruhe um, nehmen Sie sich Zeit und lesen sie. Seien Sie dabei bitte leise und stören Sie die anderen Besucher nicht. Ausleihen können Sie leider nichts. Unsere Bücher sind sehr alt und zum Teil auch ehr wertvoll. Daher geben wir sie nicht heraus. Wenn Sie etwas nicht finden, dann fragen sie mich einfach. Computer haben wir hier noch nicht. Nur das alte Karteikartensystem dort.“ Sie wies mit der Hand zu einem alten Schrank.
So machte sie zunächst einen Erkundungsgang durch die alte Bibliothek.
Dieses Gebäude war ihr noch nie zuvor aufgefallen; erst vor wenigen Tagen, als sie gedankenverloren durch die Stadt geschlendert war – ohne Ziel, ohne Weg, ohne wirklich zu wissen, wo genau sie sich befand – war ihr das seltsame Gebäude aufgefallen. Denn von außen wirkte es wirklich skurril. Man konnte erkennen, dass es alt war, aber es ließ sich nicht in irgendeine Epoche einordnen. Romanische, schmale, gedrungene Fenster, gotische Fialen, modernere Elemente. Ein Mischmasch aus verschiedenen Stilen. Sogar ein Gargoyle saß über der Tür und schien die Ein- und Austretenden genau zu beobachten. Das Gebäude hatte so fehl am Platz gewirkt, dass es ihr komisch vorkam, dass sie es noch nie bemerkt hatte. Aber vielleicht war dieses ungewöhnliche Aussehen ja auch die beste „Tarnung“, die es gab.
Aber ihr selbst hatte der Gedanke an das seltsame Haus mit der Aufschrift ‚Bibliotheca’ keine Ruhe gelassen. Was für eine Bibliothek mochte in diesem Gebäude beherbergt sein? Sicher keine Stadtteilbibliothek, wie es sie hier zu Hauf gab. Diese Bibliotheken waren allesamt in hellen, freundlichen Neubauten; mit großen Glasfenstern und reichlich Parkplätzen. Eigentümlicher Weise hielt diese ‚Bibliothekca’ ihre Gedanken gefesselt. Schließlich versuchte sie, mehr über die Bibliothek herauszufinden, jedoch ohne Erfolg. Also hatte sie heute Morgen – kurz nach dem Aufstehen – beschlossen, einfach noch einmal hinzugehen und sich umzuschauen.
Auf dem Weg waren ihr jedoch Zweifel gekommen: vielleicht war es nur ein altes Gebäude, das längst nicht mehr genutzt wurde? Ein Haus, das die Stadt vergessen und deswegen noch nicht abgerissen hatte? Nun, sie würde es in Erfahrung bringen. Und wenn sie ganz ehrlich zu sich selbst war, so musste sie zugeben, dass sie überrascht gewesen war, tatsächlich eine Bibliothek in dem Haus zu finden. Und noch dazu eine, die geöffnet war. Die Stadtteilbibliotheken hatten nämlich nicht jeden Tag der Woche geöffnet. Aber vielleicht hatte sie einfach Glück gehabt.
Aber nun war sie hier. Und sie war tief beeindruckt. Auch wenn das ganze Ambiente fast schon erdrückend schien, so lag doch ein seltsamer Zauber auf diesen alten Mauern. Es war etwas, das sie nicht beschreiben konnte, etwas, das ihr Schauer über den Rücken jagte – wobei sie aber nicht zu sagen vermochte, ob es wohlige Schauer waren oder Schauer der Angst.
Neugierig sah sich um. Hier gab es Bücher zu fast jedem Thema. Medizin, Politik, Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften, Glauben und Religionen. Sogar eine kleine Ecke angefüllt mit Belletristik gab es. Nur eines gab es nicht: neue Bücher. Dieser Ort war eine wahre Fundgrube für jeden, der nach alten Büchern, nach alter Literatur und altem Wissen suchte. Aber jemand, der kam, um sich über ein Sachgebiet aktuell zu informieren, der würde die Hände über dem kopf zusammen schlagen und diese eigenartige Bibliothek schnellstens verlassen. Vielleicht war das ja auch der Grund, warum sie keine Informationen gefunden hatte. Es war einfach keine Bibliothek, wie die Menschen sie heute nutzten.
Hin und wieder nahm sie eins der alten Bücher vorsichtig aus den Regalen. Die meisten waren von einer dicken Staubschicht bedeckt. Offensichtlich machte sich auch niemand die Mühe, für den einwandfreien Zustand der Bücher zu sorgen. Aber dafür kamen wohl auch zu wenig Besucher. Wie sich diese Bibliothek wohl finanzieren konnte? Wenn man keine Bücher ausleihen konnte, dann konnte es wohl auch kaum Gebühren geben, die die Ausgaben decken würden. Und die Stadt würde dieses Gemäuer wohl auch nicht finanzieren. Vielleicht gab es einen reichen Sponsor, der diese alten Bücher für erhaltenswert hielt. Nun, letztlich sollte es ihr wohl egal sein – schließlich war sie ja nur aus Neugierde gekommen, um sich kurz umzusehen.
Während sie so dastand, mit einem Buch in der Hand, das wunderschöne Tierzeichnungen enthielt, stieß sie gedankenverloren mit dem jungen Mann zusammen, den sie für einen Studenten hielt.
„Oh entschuldigen Sie. Ich habe sie gar nicht gesehen…“
Aber der junge Mann war bereits an ihr vorbeigehastet und hatte etwas gemurmelt, das geklungen hatte wie: ‚Noch eine verlorene Seele…’
Stirnrunzelnd blickte sie ihm nach. Er wirkte so gehetzt. Und der flüchtige Blick, den sie auf sein Gesicht hatte erhaschen können, ließ sie ihre Meinung ändern, dass er sicher ein Student war. Auch wenn er von weitem jung und agil aussah, so sah sein Gesicht müde und alt aus. Versonnen starrte sie für einige Minuten Löcher in die Luft. Dann schüttelte sie schließlich den Kopf und betrachtete weiterhin die wunderschönen Zeichnungen. Ein sehr begabter Künstler war hier am Werk gewesen. Neugierig suchte sie auf dem Deckblatt und im Buch selber nach dem Namen des Autors und des Künstlers, fand jedoch weder den einen, noch den anderen. Seltsam. Ein Buch, das keinen Autor hatte. Na ja, vielleicht war es so alt, dass der Name bei irgendeiner Abschrift oder neuem Druck verloren gegangen war. Sie stellte das Buch wieder an seinen Platz zurück und ging weiter an den Regalen entlang.
Schließlich blieb sie vor dem Regal stehen, dessen kleines Messingschild an der Seite des Mittelganges besagte: ‚Esoterik und Magie’. Nun, das mochten wirklich interessante Bücher sein – vor allem, wenn man das Alter der Bücher betrachtete. Ihr fiel sofort auf, dass die Bücher hier längst nicht unter einer so dicken Schicht Staub begraben lagen, wie im Rest der Bibliothek. Wer hier wohl regelmäßig lesen mochte? Einer der alten Männer? Oder die alte Dame, die sie beim Kommen gesehen hatte? Von dem jüngeren Mann konnte sie es sich nicht recht vorstellen. Ebenso wenig von der Alten an der Ausleihe.
Sie fand hier allerlei Bücher zu den verschiedensten Themen. Hexen, Feen, Geistern, Dämonen, Kräutern, Göttern und anderen Wesensheiten. Bücher über Magie – angefüllt mit Zaubersprüchen, Ritualen und Bannmagie. Bücher über Exorzismus und Flüche. Bücher über den Tod. Schließlich fiel ihr ein kleines Buch auf. Sie zog es aus dem Regal und schaute auf den Titel. ‚Merseburger Zaubersprüche’. Das war ein echter Schatz. Sie lächelte. Vor einigen Jahren hatte sie schon einmal ein solches Buch in den Händen gehalten, aber es war bei weitem nicht so alt gewesen. Wie alt mochte es sein? Ein seltsames Gefühl beschlich sie, dass dieses Buch vielleicht älter war, als sie sich vorstellen mochte. Hastig stellte sie es zurück. Gerade so, als hätte sie sich die Finger daran verbrannt.
„Entschuldigung, aber ich muss Sie bitten, nun zu gehen. Wir schließen für heute. Morgen haben wir aber wieder geöffnet.“
Erschrocken drehte sie sich um. Hinter ihr stand die Bibliothekarin. Sie hatte sie nicht Kommen hören.
„Jetzt schon?“ Erstaunt blickte sie auf ihre Armbanduhr. Es konnte doch höchstens Mittag sein. Verblüfft schaute sie auf das Ziffernblatt. Es war neun Uhr am Abend…
„Oh, ich habe wohl die Zeit etwas vergessen…“, murmelte sie und machte sich schnell auf den Weg nach draußen.
Die frische und kühle Abendluft tat ihr gut. Sie schien den Muff und Moder der alten Bücher aus ihren Lungen zu vertreiben. Hunger ließ ihren Magen knurren. Wie hatte sie nur so sehr die Zeit vergessen können? Sie war gut und gerne zehn Stunden in der alten Bibliothek gewesen. Aber was sollte sie sich nun darüber den Kopf zerbrechen? Sie war neugierig gewesen – und nun war ihre Neugierde befriedigt. Also: auf nach Hause und schnell etwas essen.
Als sie am nächsten Morgen die Augen aufschlug, brannte ein seltsames Verlangen in ihr. Zunächst war ihr nicht klar, was mit ihr los war. Beim Frühstück schließlich wusste sie es: sie wollte zurück in die ‚Bibliotheca’, wollte weiter in den alten Büchern stöbern. Also machte sie sich – wenn auch mit ungutem Gefühl – auf den Weg.
Wieder waren es die gleichen Menschen, die sie hier fand. Die beiden alten Männer, die alte Bibliothekarin, die alte Dame und der hektische Herr. Wieder zog es sie zu den Regalen, in denen sie am Vortag bereits das Buch über die Merseburger Zaubersprüche gefunden hatte.
Heute war sie hier nicht allein. Die alte Dame, die gestern noch in anderen Regalen gestöbert hatte, leistete ihr hier heute Gesellschaft. Aber sie schien so sehr in Gedanken versunken, dass sie es nicht wagte, die Dame anzusprechen. Sie selbst schaute weiter, welche Schätze dieses Regal noch zu bieten hatte. Tief versunken. Immer wieder neue alte Bücher aus den Regalen ziehend und darin lesend.
„Sie sollten sich in so jungen Jahren nicht mit so finsterer Literatur beschäftigen“, raunte ihr plötzlich die Stimme der alten Dame ins Ohr und war gleich darauf verschwunden.
Sie schüttelte den Kopf. Die Leute hier schienen etwas seltsam zu sein. Und noch dazu wenig Wert auf eine Unterhaltung oder auch nur ein kurzes Gespräch zu legen. Aber was sollte sie sich Gedanken darüber machen. Hier gab es so viel Interessantes zu entdecken!
In den nächsten Tagen ging sie jeden Tag wieder in die alte Bibliothek. Jeden Tag fand sie andere „Schätze“. Ihre Zeit verbrachte sie meist in der Abteilung ‚Esoterik und Magie’. Es war unglaublich interessant, was es dort zu lesen gab. In all den Tagen hatte sie keinen weiteren Zusammenstoß mit den anderen Besuchern des alten Hauses mehr. Aber das war ihr nur recht. Die drei – oder vier, wenn man die Bibliothekarin mitzählte – kamen ihr sehr eigentümlich vor. Und außer ihnen und ihr selbst schien nie jemand die Bibliothek zu betreten. Aber was konnte sie schon sagen? Schließlich war sie meistens im hinteren Teil der Räume. Und von dort aus konnte sie wirklich nicht sagen, was im Eingangsbereich passierte.
Sie hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, regelmäßig auf ihre Uhr zu schauen, um die Zeit nicht wieder so sehr aus dem Auge zu verlieren. Sie verließ die Bibliothek regelmäßig mittags, um etwas zu Essen. Dennoch war sie selten vor 20 Uhr am Abend zu Hause.
Eines Abends fiel ihr ein großes Buch auf. Sie zog es aus dem Regal. Mit Staunen betrachtete sie das Buch. ‚Necronomicon’ stand darauf. Plötzlich zitterten ihre Hände. In den letzten Tagen hatte sie viel gelesen – und immer wieder war sie auf das Buch der toten Namen gestoßen, das Necronomicon. Mit ihm sollte man Geister und Dämonen, sowie die Pforten der Hölle beschwören können. Aus irgendeinem Grund glaubte sie, dass sie hier das originale Necronomicon in den Händen hielt. Vorsichtig trug sie es zu einem der schweren Tische. Sie schaltete die alte Lampe an, die sofort einen hellen Lichtkegel warf. Mit zitternden Händen legte sie das große Buch auf den Tisch und schlug die alten, brüchigen Seiten auf.
‚Die 7 Tore’ – so lautete die Überschrift der Seite, die sie aufgeschlagen hatte.
„Die Beschwörung der sieben Höllentore“, wisperte sie ungläubig.
Es waren sieben Götter, die angerufen wurden. Je einer für jedes Tor. Sie begann leise die Worte zu lesen. Ihre Lippen schienen sie wie von allein zu formen:
„Die Beschwörung des Tores von NANNA :
‚Geister des Mondes, erinnert euch!
NANNA, Vater der Astralen Götter, erinnert euch!
Im Namen des Bundes beschworen zwischen euch und der Rasse des Menschen,
Ich rufe euch an! Höret und erinnert euch!
Von den Toren der Erde, ich rufe ich euch! Von den vier Toren des Landes KI, ich bete zu euch!
O Herr, Held der Götter, der im Himmel so wie auf Erden gepriesen wird!
Lord NANNA, genannt SIN, erhöre mich!
Lord NANNA, Vater der Götter von UR, erhöre mich!
Lord NANNA, Gott der schimmernden Krone der Nacht, erhöre mich!
Erschaffer der Könige, Progenitor des Landes, Geber des goldenen Szepters, erhöre mich und erinnere dich!
Mächtiger Vater, dessen Gedanken weit hinter dem Verständnis der Götter und Menschen liegen, erhöre mich und erinnere dich!
Tor der großen Tore der Sphären, eröffne dich mir!
Meister der IGIGI, öffnet euer Tor!
Meister der ANNUNAKI, öffnet das Tor zu den Sternen!
IA NAMRASIT! IA SIN! IA NANNA!
BASTAMAAGANASTA IA KIA KANPA!
MAGABATHI-YA NANNA KANPA!
MASHRITA NANNA ZIA KANPA!
IA MAG! IA GAMAG! IA ZAGASTHENA KIA!
ASHTAG KARELLIOSH!’
Wow“, flüsterte sie. Begierig las sie auch die übrigen Beschwörungen.
Nebo, Inanna, Shammash, Nergal, Marduk, Ninib. Das waren die anderen Götter und Göttinnen, die angerufen wurden. Murmelnd las sie die Formeln. Dann fielen ihr die Augen zu. In der Bibliothek schien es unerträglich heiß zu werden. Erschrocken öffnete sie die Augen wieder. Verwirrt blickte sie auf die Uhr, aber ihre Batterie schien leer zu sein. Sie war am Nachmittag stehen geblieben. Erschrocken blickte sie sich um. Die Deckenlampen waren aus. Sie rief. Niemand antwortete. Sie erhob sich von ihrem Stuhl und ging in den Hauptraum. Es war niemand mehr da. Die Tür war fest verschlossen. Man hatte sie einfach hier vergessen. Langsam kehrte sie zu ihrem Platz zurück und blickte auf das alte Buch. Es lag noch immer geöffnet auf dem Tisch. Ein seltsames Leuchten ging von ihm aus. Wieder spürte sie die Hitze, die sie geweckt hatte.
Plötzlich fielen einige Bücher aus den alten Regalen. Noch bevor sie auf dem Boden aufschlugen, standen sie in hellen Flammen. Vor Schreck schrie sie laut auf. Immer mehr Bücher fielen aus den schweren Holzregalen. Wie ein Feuerregen gingen sie nieder. Der alte Boden begann zu schwelen.
„Was habe ich getan?“
Voller Angst blickte sie zu dem alten Buch auf dem Tisch. Das Glühen schien immer intensiver zu werden. Sie begann zu schreien. Sie rannte zurück zur Ausleihtheke. Hämmerte gegen die schwere Eingangstür. Da glaubte sie plötzlich, Stimmen aus dem hinteren Teil der Bibliothek zu hören. Sie fiel in Ohnmacht.
Am nächsten Morgen erwachte sie in ihrem Bett. Sie fühlte sich wie gerädert. Was war passiert? Sie hatte geträumt. Hatte sie geträumt? Was waren das für Stimmen gewesen? Warum rochen ihre Haare nach verbranntem Holz, wenn sie nur geträumt hatte.
Auf ihrem Arm war ein langer, blutiger Kratzer.
Was war passiert???
Sind ging nicht wieder zur ‚Bibliotheca’. Sie hatte Angst.
Aber auch wenn sie gegangen wäre, so hätte sich dort nichts gefunden, außer einem alten, verkrauteten Grundstück, auf dem sicherlich seit Jahrzehnten kein Gebäude mehr gestanden hatte…
fertig gestellt am 24. Januar 2002